Collective Conception | Organisatorische und Kulturelle Rahmenbedingungen des Wandels
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25 Feb Organisatorische und Kulturelle Rahmenbedingungen des Wandels

Ein Beitrag von Máté Szücs zur Haufe Blogparade #Organisationsrebellen.

 

Die meisten Organisationen haben sich über die Zeit bis ins kleinste Detail definiert. Als ich 1999 bei Siemens gearbeitet habe, gab es wie bei anderen Großunternehmen auch unzählige komplizierte und tiefe Prozess- und Rollendefinitionen. Auch ich habe diese mitgestaltet. Das war für die Standardisierung wichtig. Für die heutige Zeit hat das Organisationen aber auch langsam gemacht. Viele Arbeitsabläufe sind zu zentral gesteuert und den heutigen Anforderungen bezüglich schnellem Handeln nicht mehr gewachsen – auf jeden Fall nicht in dieser Tiefe und Länge. Sie werden immer schwerer erlernbar, veralten schnell und es dauert lange bis sich diese verändern und neu erlernt werden, falls dies überhaupt noch passiert.

Das macht Veränderungen langsam und für viele Mitarbeiter sogar undenkbar. „Das wird ja eh nicht hier entschieden.” „Es hört ja eh keiner zu.” „Es interessiert sie ja sowieso nicht.” Es geht um viele Annahmen, die uns begrenzen, die uns das System aufgestellt hat. Die Größe der Organisation und die fehlende Transparenz erzeugt eine Entfremdung und Isolierung welche auf allen Organisationsebenen stattfindet.

Der Wunsch zur positiven Veränderung ist oder war zumindest schon mal bei jedem da. Es ist aber eine Frage des kulturellen Einflusses und der Umgebung, die darüber entscheidet ob diese stattfindet oder nicht. Es gab einmal ein Experiment in einer Fertigungshalle, wo sie ein Fertigungsband für eine Zeit visuell abgedeckt haben. Plötzlich haben sich die Mitarbeiter in dem Fertigungsprozess verbessert. Wieso? Da sie sich getraut haben. Lange wussten sie schon, dass es anders besser gehen würde, aber “Das wird ja eh nicht hier entschieden”. “Es hört ja eh keiner zu” und “Ich muss nach Plan arbeiten”. Kontrolle und Routine haben in diesem Fall über lange Zeit Innovationen verhindert.

Andersmacher stellen sich quer, erlaubt oder nicht. Sie versuchen die Situation zu verändern.

Wieso versuchen diese Menschen aber so sehr, Umgebungen und Gegebenheiten zu verändern?

Weil ihnen etwas daran liegt. Es geht um eine innere, intrinsische Motivation die an ihre Umgebung oder ihre persönliche Entwicklung gebunden ist. Am stärksten wirkt die Kombination aus beiden.

Wieso müssen sie dafür “rebellieren”?

Weil das System, also die Organisation als Soziales Konstrukt, sie wie ein Spinnennetzt festhält. Je größer die Organisation desto stärker. Jeder findet sich in einer kulturellen Routine gefangen. “Das macht man so”, “Das macht man nicht” oder “Das haben wir ja schon versucht” oder noch schlimmer, “Das haben sie ja schon versucht”. Also andere, und es wird nicht hinterfragt, wie etwas bereits versucht wurde. Und wenn man an eine Abteilung, oder an eine Managementebene gebunden ist wird sich die Umgebung der Norm nach verhalten. Keiner wird zuhören, mitmachen oder versuchen, etwas zu verändern bis jemand sich querstellt und sagt “Das versuchen wir jetzt einmal”, oder es einfach macht – also rebelliert. Diese Person setzt ein Beispiel, und zeigt, dass es doch anders geht. Das ist wichtig. Oft ist dies der einzige Weg um Verständnis zu schaffen, die erste Hürde der Veränderung. Man muss ausprobieren und schnell Ergebnisse vorweisen können, damit andere es auch (ein)sehen.

Derzeit herrscht in vielen Organisationen noch ein Kultur der genauen, langfristigen Planung, wo jeder genau das machen soll, was im Plan steht. Sonst funktioniert es ja nicht. Dafür sind auch genügend Kontrollsysteme im Einsatz um das sicherzustellen.

Wie sollen aber Innovation entstehen wenn jeder nur das machen soll (darf) was im Plan steht?

“Wir haben ja dafür die Innovationsabteilung”, zentral natürlich. Das war für die Zeit früher auch passend. Mit der Informationsgesellschaft haben wir aber Wissensarbeit genauso effizient gemacht wie die Produktion in Zeiten der Industrialisierung. Heute ist Information und Wissensverteilung dafür schon viel zu effizient geworden. Wissen ist nicht mehr an Grenzen gebunden und steht meistens kostenlos zur Verfügung. Somit kann man sich auch in der Innovationsabteilung nicht mehr darauf verlassen, dass die Verhältnisse worauf die Einsichten und “Pläne” sich aufbauen, gleich bleiben. Daher braucht man die Fähigkeit in der Organisation sich ständig erneuern zu können. Und das auf allen Ebenen der Organisation. Innovation kann man nicht mehr effizient nur zentralisiert gestalten. Dafür ist die Geschwindigkeit der Informationsverteilung, die Informationsmenge und dadurch die Komplexität, die Zahl, Größe und Menge der Veränderungen viel zu viel und schnell geworden. Man schafft es nicht mehr, oben in den Führungsetagen alleine alles zu wissen und für alles eine Lösung zu haben. Leute die dem Markt, den Kunden, der Produktion, usw. nahestehen, haben oft mehr oder zumindest wichtige Einsichten. Sie können mit Hilfe von Experten die richtigen Mitteln und strategischen Information schneller und besser zu Lösungen, Innovationen kommen oder zumindest dazu wesentlich beitragen. Natürlich passiert das nur wenn sie dürfen, können und mittlerweile fast schon noch wichtiger: falls sie wollen.

Also welche organisatorische Rahmenbedingungen und welches Mindset begünstigen den positiven Widerstand und Transformation?

Vertrauen.

Das wichtigste ist Vertrauen. Vertrauen in die Fähigkeiten und die Einstellung der MitarbeiterInnen, dass sie ihre Arbeit mit den richtigen Rahmenbedingungen bestens ausführen können und werden. Dass sie für Probleme mit unterstützenden Mitteln und Kollegen die richtigen Lösungen finden und zwar schneller und besser. Dieses Vertrauen muss kulturell gegenseitig aufgebaut werden. Mitarbeiter müssen darauf vertrauen, dass sie sich einbringen dürfen und dass es auch gewollt und unterstützt wird. Es muss auch klar sein, dass Initiativen, Innovationen – also Dinge andersmachen – nicht unbedingt immer klappen. Man kommt aber nicht voran, ohne es zu versuchen. Wenn man nur das macht was in der Plan steht, kann man nicht auf Veränderungen reagieren. Wenn man aber abweicht macht, man was “anders” oder „neu“. Durch das Experimentieren entsteht Neues.

Raum für Experimente

Man braucht eine Umgebung und Rahmenbedingungen für mehr Experimente, damit man versuchen kann, etwas zu verbessern. Das geht nur dann, wenn man gegenseitig vertraut und dadurch auch eine gesunde Menge an Autonomie entsteht. Wo und wie viel, muss jede Organisation für sich selbst definieren.

Mehr Transparenz

Damit Mitarbeiter auf allen Ebenen die richtige Lösungen und Entscheidungen treffen können, brauchen sie Informationstransparenz. Was sind die Zielsetzungen in der Organisation? Was ist die Strategie und woran arbeiten andere? Wo stehen sie und was haben sie schon versucht? Was funktionier und was nicht? Wer hat welche speziellen Fähigkeiten und Erfahrungen die einen unterstützten können?

Die Möglichkeit und Kultur der Vernetzung, Kommunikation und Zusammenarbeit

Damit Transparenz entstehen kann und auch eine effiziente Zusammenarbeit je nach Bedarf, Aufgabe oder Herausforderung über die typischen Grenzen hinaus möglich wird, braucht man Plattformen und Werkzeuge der digitalen Zusammenarbeit.

Eigenmotivation

Und schließlich braucht es Impulse und Raum für Eigenmotivation.  Wieso machen wir das was wir machen? Was soll uns motivieren weiterzukommen, mehr zu machen, etwas zu verbessern?

Es geht um den Purpose, also eine wertvolle Zielsetzung und/oder die richtige Anerkennung, persönliche Verwirklichung. Dieser muss über die finanziellen Ziele der Organisation, beziehungsweise über die persönliche Existenzsicherung oder Verbesserung hinausgehen. Das setzt Priorität und ermöglicht, dass man sich Zeit nimmt, dass man aus der Status Quo ins Bewegung kommt. Auch dann, wenn es quer oder etwa in die andere Richtung geht.

Máté Szücs von COLLECTIVE CONCEPTION unterstützt Personen, Teams und Organisationen in Ihrem Wandel. Mit neuen Technologien, neuen Management Ansätzen, Skills- und Mindsets hilft er kollaborative Arbeitsweise, Business Modelle und Prozesse zu gestalten, die Organisations- und Management Kultur und die Arbeitsumgebung weiterzuentwickeln. Er ist Experte für Digitalisierung, Veränderung, Responsive Organisation und neue Arbeitswelten. Er hat in Europa über 300 Organisationen in Ihrem Wissensaufbau und oder bei konkreten Projekten unterstützt. Davor arbeitete er international bei Microsoft und verantwortete die Marketingstrategie für Großunternehmen, Produktmanagement für die Produktivitätslösungen und leitete die unternehmensweite Geschäftsplanung und -Abläufe für 24 Länder.

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